Schalke vor dem Rückrundenauftaukt – Auf der sicheren Seite?

Der amtierende schauinsland reisen Cup-Sieger FC Schalke 04 ist zurück im Pflichtspielbusiness. Am kommenden Samstagabend steigt das Topspiel gegen den Hamburger SV, einen der Favoriten auf den Aufstieg in die erste Liga. Man könnte sich einfachere Gegner zum Re-Start vorstellen, aber es ist ein Heimspiel für die Schalker und gerade die letzten Matches gegen Hamburg waren in der 2. Liga sehr unterhaltsam, wenn auch mit zumeist unglücklichem Ausgang für Schalke.

Ich für meinen Teil bin froh, dass es wieder losgeht. Diese Winterpause fühlte sich nicht nur sehr lange an, sondern auch überraschend ereignisarm. Ja, Matthias Tillmann ist als neuer Vorstandsvorsitzender nun offiziell an Bord und Marc Wilmots konnte als neuer Sportdirektor auf Schalke begrüßt werden. Deren Wirken wird sich jedoch erst nach einigen Wochen und Monaten beurteilen lassen. Wilmots zum Sportdirektor zu ernennen und auf einen Sportvorstand zu verzichten, sehe ich teilweise kritisch. Ich mag die Aufteilung auf zwei Personen zum jetzigen Zeitpunkt, da André Hechelmann als Technischer Direktor wieder im Hintergrund in einer Rolle agieren kann, die ihm mehr liegt, als in der Öffentlichkeit jegliche sportliche Entscheidung zu erklären. Das gelang schon Peter Knäbel kommunikativ nicht optimal, nun darf sich Wilmots als Frontkampfschwein daran versuchen. Er macht den Eindruck, als fühle er sich dort wohler. Ob er auch mit den richtigen Entscheidungen aufwarten kann, wird sich zeigen. Eine Art Manager-Rolle hat er laut eigener Aussage lediglich bei der belgischen Nationalmannschaft bekleidet, anschließend folgten zwei kurze Engagements als Trainer in weiteren Nationalmannschaften (Elfenbeinküste und Iran), die beide nach kurzer Zeit endeten und letzteres bereits vier Jahre zurückliegt. Was er in der Zwischenzeit an Kompetenzen erworben hat, ist kaum zu beurteilen. Ich verstehe die Notwendigkeit angesichts Hechelsmanns unsicherer Position und Knäbels Ausscheiden, auf dieser Position zu agieren. Trotzdem hätte ich mir eine Lösung gewünscht, die weniger nach „Schalker Stallgeruch“ klingt, sondern rein auf die Kompetenz des Verantwortlichen Wert legt, um Fragen zu beantworten wie u.a. „Wie soll Schalke in Zukunft Fußball spielen? Welche Spieler und -profile brauchen wir dafür? Wie richten wir das Scouting aus?“ usw. Das soll nicht heißen, dass ich nicht glaube, dass diese Themen diskutiert worden sind oder ich Wilmots das nicht zutraue. Aber es hätte sicher spannende externe Kandidaten gegeben, die diese Fragen in ihren Vereinen (!) bereits gelöst haben und entsprechende Erfahrungen vorweisen können. Ob sie verfügbar und bezahlbar gewesen wären, steht auf einem anderen Blatt. Diese Fragen zu beantworten, wird eine Zukunftsaufgabe und man darf extrem gespannt sein, wie die sportliche Ausrichtung ohne einen reinen Sportvorstand strategisch angegangen wird. Was optimistisch stimmt, ist die „Belgien-Connection“ zu Coach Geraerts, der in Personalfragen und in Richtung Kaderplanung hoffentlich ein gewichtiges Wort mitsprechen darf.

Außerhalb der Personalien Tillmann und Wilmots blieb es sehr ruhig. Auch in Sachen Transfers hat sich bis zum Schreiben dieser Zeilen nichts getan. Schon vor Weihnachten kamen Gerüchte um einen belgischen RV auf, die sich aber schnell zerschlugen. Wirklich heiß scheint aktuell nur der auf Schalke wohlbekannte Name Darko Churlinov zu sein, Ergebnis offen. Ich könnte mich mit seiner Verpflichtung nach wie vor anfreunden. Er hat nicht nur seine Verbundenheit zu Schalke in der Aufstiegssaion gezeigt, sondern auch sportliche Qualitäten, wenn auch erst im Endspurt der Saison. Churlinov ist vielseitig einsetzbar und könnte nicht nur die rechte Außenbahn beackern, sondern auch im offensiven Mittelfeld Impulse nach vorne setzen. Gerade dort war Kenan Karaman für meinen Geschmack zu häufig alleine verantwortlich und wenn man bedenkt, dass Assan Ouedragogo noch nicht fit ist und Drexler und Kabadayi erst seit kurzem, würde eine zusätzliche Option in diesem Mannschaftsteil Sinn ergeben. Skepsis ist bei Churlinov trotzdem gerechtfertigt: er hat eine lange Ausfallzeit nach einer Erkrankung hinter sich und sein Fitnessstand ist zumindest von Außen gesehen unklar. Unter dem Strich ist es meiner Meinung nach trotzdem eine Verpflichtung, die Schalke machen kann: sofern man ihn günstig bekommt und bspw. für ein halbes Jahr mit anschließender Option (nicht Pflicht!) leiht, besteht Zeit ihn zu beurteilen und im Sommer eine Entscheidung zu treffen. Wir werden sehen, wie diese Geschichte ausgeht.

Die Defensive, speziell die Innenverteidigung, sehe ich als größere Baustelle. Hier scheint Karel Geraerts weiter auf die Entwicklung der Partnerschaft KalasKaminski zu setzen, ergänzt um den LV/IV Murkin, mit Baumgartl und der Allzweckwaffe Matriciani in der Hinterhand. Rundum überzeugt haben von diesen fünf Namen im Grunde nur zwei und Kalas erst in den letzten Spielen. Eine durchaus riskante Wette also, die die Verantwortlichen hier eingehen, gerade wenn man das im Schatten lauernde Schalker Verletzungspech berücksichtigt, das unvorhergesehen zuschlagen könnte. Ein rechter Außenverteidiger als Ergänzung zu Brunner könnte ebenfalls auf dem Wunschzettel für Karels bevorzugte 3-5-2 Grundordnung stehen. Es bleibt lediglich abzuwarten, was in den letzten ca. 14 Tagen des Transferfensters passiert, wirkliche Bewegungen könnte es erst an dessen Ende geben. Anschließend werden wir eine konkretere Vorstellung über die Möglichkeiten und Limitierungen des Kaders haben.

Zurück zum Geschehen auf dem Platz: Gegen den HSV wird Murkin gesperrt fehlen und der letzte Test gegen Eupen hat uns Thomas Ouwejan als dessen naheliegenden Ersatz verraten. Ralle Fährmann dürfte trotz Marius Müllers Genesung zunächst im Tor bleiben und geht man davon aus, dass Tobi Mohr und der gut aufgelegte Idrizi ihre Plätze in der Raute behalten, stellt sich allein die Frage nach der Besetzung der Sechserposition. Schallenberg und Seguin, der zuletzt erkrankt fehlte, stehen zur Auswahl. Eine Alternative wäre Seguin für Mohr in der Raute, Schallenberg auf der Sechs. Für Lasme kommt nach seiner Verletzung ein Startelfcomeback wohl zu früh, daher dürfte die Sturmbesetzung aus Topp und Terodde bestehen, mit Karaman dahinter, eine Kombination die mir persönlich am besten gefällt.

Kritische Matchups sehe ich für Schalke auf den Außenpositionen in der Abwehr, wo insbesondere Ouwejan Hilfe von Mohr gebrauchen könnte, der gleichzeitig zusammen mit dem Sechser für die Kontrolle des Zentrums zuständig ist. Schon im Hinspiel hatte Schalke Probleme mit den quirligen Offensivspielern der Hamburger und diese einzudämmen wird eine der Hauptaufgaben sein. Im Offensivspiel zeigte Schalke zuletzt gute Kombinationen, mit der zahlenmäßig viertbesten Abwehr der Liga wartet nun jedoch ein anderes Kaliber. Eher geduldige Offensive könnte sich auszahlen, bevor die bisher arg anfällige Schalker Abwehr via Konter den Preis bezahlt. Ob dieses Szenario der Realität standhält? Wir erfahren es am Samstagabend. Aber in einem Heimspiel ist für Schalke immer etwas drin und ein gelungener Start dürfte Auftrieb geben.

Was insgesamt für Schalke in der Rückrunde geht, ist ein Stück weit ein Blick in die Glaskugel. Der Trend unter Geraerts zeigt definitiv nach oben. Die Mannschaft ist dank eines Grundgerüsts stabilisiert und auch das Zusammenspiel funktioniert besser, die Defensive hingegen bleibt anfällig. Letzteres ist weiterhin ein Risikofaktor, sollte sich die personelle Situation verschärfen. Dann müsste der Blick nach unten gehen, wo der Abstand zum Relegationsplatz nur 3 Punkte plus das bessere Torverhältnis beträgt. Das wäre mein „Worst Case-Szenario“. Auf der sicheren Seite ist Schalke somit keineswegs. Die individuelle Qualität des Kaders zusammen mit der Weiterentwicklung unter Karel Geraerts sollte dennoch ausreichen, nicht in allzu große Nöte zu geraten. Im „Best Case-Szenario“ gelingt bei stetiger Weiterentwicklung und Fortsetzung des Trends der Sprung ins gesicherte Mittelfeld, der in der zweiten Liga häufig damit verbunden ist, zumindest in Sichtweise zu Platz 3 zu sein. Das wäre des Guten dennoch zuviel. Eine erfolgreiche Rückrunde wäre es für mich dann, wenn am Ende nicht nur die Klasse sicher gehalten wird, sondern auch auf Basis der Hinrunde weitere Schritte in Richtung eines zukunftsfähigen Teams erkennbar sind. Dazu gehört eine stabilere Defensive ebenso wie eine weitere Verbesserung des Offensivspiels bei individueller Weiterentwicklung der Spieler. Das ist viel verlangt, aus meiner Sicht aber notwendig, wenn man nicht nur mit einem guten Gefühl, sondern mit zählbaren Erfolgen aus dieser Rückrunde gehen möchte. Denn die wird Schalke brauchen, wenn man in der nächsten Saison wieder angreifen möchte.

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